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  • Politik
  • Zum Tod des Schauspielers Walter Matthau

Liebenswertes Knautschgesicht

  • Peter Hoff
  • Lesedauer: 3 Min.

Die tief durchfurchten Züge, die dicke Nase, die immer ein wenig zusammengekniffenen Augen, all das war zeitlos. Wie eine Comic-Figur schien er nicht zu altern, aber er schien auch nie jung gewesen zu sein. Walter Matthau war ein Typ, unverwechselbar und unver

kennbar wie immer auch die Rollen angelegt waren, die er in fünfundvierzig Jahren in fast sechzig Filmen gespielt hatte. Er war der Misanthrop, der immer ver gnatzte Kerl, stets bereit, jeden über den Tisch zu ziehen, der sich auf ihn einließ. Und weil er ein exzellenter Darsteller war, lieferte er diese eigentlich unsympathischen Charakterzüge dem Gelächter des Publikums aus. Er wurde zu einem der beliebtesten Komiker des Hollywood-Kinos. Dabei hatte er erst verhältnismäßig spät den Weg zum Film gefunden.

Der Sohn russisch-jüdischer Einwanderer, am 1. Oktober 1920 in New York City geboren, stand schon als Kinderdarsteller auf der Bühne des Yiddish Theatre in New York. Er diente von 1942 bis 1945 in der US Air Force. Nach kurzer Ausbildung zum Schauspieler am Theatre Workshop

der New School for Social Research ar beitete er an verschiedenen Theatern.

Obgleich er schon 1948 am Broadway debütierte, ließ der Erfolg doch auf sich warten. Erst 1955 fand er öffentliche Beachtung und wurde im gleichen Jahr noch von Burt Lancaster in dessen Film «Der Mann aus Kentucky» als Darsteller beschäftigt. Auch das Fernsehen interessierte sich für den Mann mit dem zer furchten Gesicht, es war die Zeit der endlosen Bildschirmwestern, und Matthau ritt als Sheriff durch sechsundzwanzig Folgen einer Serie namens «Tallahassee 7000».

So ging es noch eine ganze Weile weiter mit Western, bis das Genre in den Sechzigern allmählich in die Krise kam. Auf die harten Männer folgten in der künstlerischen Biografie Matthaus nun die komischen Kerle. Billy Wilder, der sehr wohl um die komische Wirkung der kontrastierenden Schauspielertypen wusste, stiftete in «The Fortune Cookie» («Der Glüskspilz») 1966 das maskuline Traumpaar der amerikanischen Filmkomödie: Jack Lemmon und Walter Matthau. Der kleine, schmale Lemmon und der vierschrötige Matthau, der Schüchterne und der Großkotz - ein Komikerduo war geboren! Und zugleich stellt sich auch der ganz große Erfolg für Matthau ein: Für seine Darstellung des gerissenen Winkeladvokaten Willie Gingrich erhält er 1967 den «Oscar» für die beste Nebenrolle.

Andere Regisseure nutzten die Schauspielerpaarung Matthau/Lemmon bereitwillig nach, bis in die späten Neunziger stehen die beiden Freunde als Gegner in komischen Kontroversen vor der Kamera, so noch 1998 in «Immer noch ein seltsames Paar».

Über den Komiker Walter Matthau ist der Charakterdarsteller fast in Vergessenheit geraten, der Schauspieler, der nicht unbedingt die Hauptrollen brauchte, um einen Film zu «seinem» Film zu machen. Er ließ gern den starken Frauen von Hollywood den Vortritt und war sich dabei seiner Wirkung wohl bewusst. Letztendlich war er es, der in der Zuschauergunst «abräumte». In «Kaktusblüte» spielte er neben Ingrid Bergman einen überarbeiteten Zahnarzt. Er ließ selbst das Musical nicht aus und war in Gene Kellys Verfilmung von «Hello Dolly» der Partner von Barbra Streisand als wohlhabender und, wie immer, missgelaunter Geschäftsmann. Bei Polanski war er ein Seeräuber kapitän («Pirates»), bei Herbert Ross («The Sunshine Boys») ein bösartiger Showmaster im Ruhestand, und in «I.Q.» sogar ein zerstreuter Albert Einstein. Sein Rollenspektrum kannte keine Grenzen.

Am Sonnabend erlag Walter Matthau, 79-jährig, in einem Krankenhaus in Santa Monica einem Herzinfarkt.

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